Wohnen & Leben

Vorbeiflitzende Kettcars und Fahrräder, weithin hörbarer Streit um Sitzplätze auf dem Parkplatz, zappelige Kinder und Teenager vor dem Eisverkauf – jubelnde Begeisterung oder hinausgeschrieenes Unrecht: wenn es auf der Straße in Sammatz laut wird, sind oft ‹die Peronniker› die Ursache. Und auch wenn ein Trupp stiller Wanderer auf den zweiten Blick etwas ungewöhnlich aussieht, ist es meist ein Nachtmittagsspaziergang unseres Kinderheims.

Und drinnen in den Wohngruppen, wie lebt es sich da? Jede ist auf ihre eigene Art eine „etwas andere Familie“ – manchmal wild und verletzend, manchmal gemütlich, manchmal ausgelassen fröhlich (‹spackig› heißt das bei uns), aber sicher nie langweilig!

Zwischen vier und 8 Kinder leben in einer Gruppe zusammen mit den Betreuern, die jeweils dazu kommen. Alle teilen sie das Schicksal, dass sie in ihren ursprünglichen Familien oder auch Pflegefamilien nicht mehr sein können – weil die Familien selbst Probleme haben, oder weil die Kinder mit ihren Besonderheiten den Familienalltag sprengen. Eine neue Lebenssituation entsteht, eine zerbrechliche ‹Familie› ohne feste Blutsbande, Geschwister- und Eltern-ähnliche Verhältnisse, die sich alle Beteiligten erst erkämpfen müssen. Da es unausweichlich ist, spricht man wenig darüber – aber es ist doch eine gewaltige Leistung, die die Kinder und Jugendlichen mit Handicap da erbringen. Zugleich eine Riesenchance, etwas über das Leben zu lernen und Dinge aufzunehmen, die sie sonst kaum gekannt hätten. Auch deshalb soll Sammatz so schön und warm und erlebnisreich sein wie möglich – die Kinder brauchen das wie eine Nahrung!

Anfangen – Wir freuen uns über jedes frische Gesicht, das zu uns kommt. Es ist immer ein neuer kleiner Kosmos, ein bislang ungehörter Ton im Peronnik-Konzert. Auch nach 18 Jahren geschieht es noch, dass Betreuer sich unterhalten (Peronnik-Betreuer können stundenlang über Peronnik-Kinder sprechen!) und einig sind, «– also, so ein Kind hatten wir noch nie!»

Da ist zum Beispiel J.: Sie kommt mit 13 Jahren zu uns – eine nicht sprechende Autistin, für die man auf Grund ihres selbstverletzenden Verhaltens lange keine Einrichtung gefunden hat. Wir besuchen sie zu Hause. Als Vertrauensbeweis legt sie ihre Füße auf unsere Knie. Nach dem Besuch schreibt sie auf dem Computer mit gestützter Kommunikation, sie glaube, es sei besser, sie käme zu uns. Ihre Eltern hätten nicht mehr die Kraft, sie zu Haus zu betreuen. Da wissen wir, dass wir sie aufnehmen!

Zugleich eine
Riesenchance,

etwas über das Leben
zu lernen …

Oder J.-O., ein Junge mit Down-Syndrom, der in seiner früheren Einrichtung nicht mehr tragbar ist. Er kommt mit seinen Eltern zu uns. Sie mögen zwar den Ort, der Anfahrtsweg ist ihnen aber doch zu weit. J.-O. geht in der Wohngruppe in den ersten Stock und setzt sich mit einem Stuhl an die Treppe. Als die Eltern ihn rufen, weil sie fahren wollen, antwortet es von oben: «Tschüss!» Das ist die Entscheidung.

Manchmal ahnt man die Lebensbrüche kaum, die ein Kind mitbringt. Ein siebenjähriges Mädchen ist neu. Staunend findet sie sich in einer Gruppe mit sechs größeren Jungen und Mädchen wieder. Als sie mit allen am Tisch sitzt, fragt sie in die Runde: «Seid ihr auch auf Urlaub hier?»

Ankommen – Peronnik heißt Neubeginn, vieles ist anders als vorher. Ein großes Thema für die älteren: Handy, Computer, Internet. Es gibt bei Peronnik keinen Fernseher und nur eingeschränkte Handy- und Computerzeiten. Dafür das Mitleben in einem quirligen, freundlichen Dorfalltag, Tiere, Natur, gemeinsam gefeierte Jahresfeste, eine tolle Urlaubsfahrt im Sommer. 3D- statt 2D-Erlebnisse!

Nicht selten hat ein frisch angekommener 12-Jähriger schon so viel Horrorfilme, Internetquatsch und Ballerspiele konsumiert, dass es locker für eine ganze Jugend ausreichen würde – oder für zwei! Und jetzt ist ‹Detox› angesagt. Darüber gehen die Meinungen natürlich lautstark auseinander. Dass weniger Internet aber mehr Seele heißt, merken die Kinder im Stillen ganz genau.

Ein volles
Psychotraining
– als Crashkurs und

ganz kostenlos …

Auch so etwas passiert: Ein Junge hat nach einem halben Jahr sein erstes Gespräch mit seinem Jugendamt und erzählt stolz von der Mitarbeit im Stall und auf dem Bau. Fragt der zuständige Beamte: « … und wie geht es dir jetzt ohne Fernseher?» (Das war vor Aufnahme ein Problem gewesen.) Antwort: «Ach, das ist mir gar nicht mehr aufgefallen.»
Immer klappt’s auch bei uns natürlich nicht. Wenn der Drang zu groß ist und alles Sammatzer Leben ihn nicht aufwiegt, gehen Jugendliche auch wieder. Mitgenommen haben sie immer etwas, das hören wir oft erst viel später.

Gute Nerven – Traumjob Peronnik-Mitarbeiter: Wo macht man sonst während der Arbeit gleich ein volles Psychotraining durch – als Crashkurs und ganz kostenlos? Das braucht manchmal gute Nerven, und es sind schon Mitarbeiter zum Heulen in die Besenkammer verschwunden. Aber genauso berührend sind die nahen Momente, die daraus entstehen.
Ein Mädchen, 14 Jahre, hat immer wieder Wutanfälle, bei denen sie die Mitarbeiter lautstark beschimpft und beleidigt. Sie kreischt, knallt mit den Türen und schmeißt auch mit Sachen. Es geht hoch her, die Wohngruppe steht regelmäßig Kopf. Einmal sagt sie dazu: «Das mache ich nur bei Leuten die ich mag. Ich will sehen, ob sie mich aushalten.»

Helfen 1 – Ein Mädchen hat oft das Gefühl, zu kurz zu kommen, beargwöhnt jede Zuwendung an andere. Im Dänemark-Urlaub, beim Ausflug zu den Kreidefelsen auf Møn macht es unbemerkt eine Kletterpartie auf die Felsen. Als wir sie hoch oben entdecken, verschlägt es uns die Sprache. Bloß nicht rufen, sonst fällt sie hinunter! Aber sie kommt heil und sehr zufrieden wieder unten an. Andere haben schon bei kleinsten Klettereien ihre Probleme und stecken fest. Da kommt dieses Mädchen und hilft geduldig beim Abstieg. Schritt für Schritt gibt sie ruhig die Anweisungen für Hände und Füße, auch bei denen, die sie nicht mag und sonst lieber beschimpft. Das spielt jetzt überhaupt keine Rolle.

Helfen 2 – Ein Junge hat Ärger mit seinen Mitbewohnern und Betreuern. Da gibt es nur noch einen, der ihn versteht: Dinette, sein Lieblingsesel. Dem erzählt er alles. Danach geht es schon wieder besser, und auch mit den Menschen lässt sich wieder reden.

Helfen 3 – Notfall! Der Betreuer im Frühdienst hat verschlafen! Ein Jugendlicher wacht zum Glück auf. Er weckt die anderen. Die Großen machen die Kleinen fertig und geben ihnen sogar Schulbrote mit. Dann kommen sie selber dran, und alle schaffen es noch irgendwie zum Bus. Geht doch!

Lernen – Der Abfluss des Waschbeckens ist verstopft. Der Mitarbeiter bekommt ihn nicht frei; der Hausmeister auch nicht. Schließlich wird das Rohr abgeschraubt, und ein harter Wachsblock kommt zum Vorschein. Ein Junge verfolgt alles sehr interessiert. «Dann sollte man das lieber nicht noch mal machen», ist sein trockener Kommentar.

Tanzen – Einmal in der Woche ist Volkstanz mit Livemusik für Dorfbewohner, Volunteers und Peronniker. Ein Junge bringt sich selber das Gitarre-Spielen bei und kann in der Band mitspielen. Ein Mädchen, das sich sonst kaum an Regeln hält, tanzt alle Tänze richtig mit. Eine junge Erwachsene hat einen festen Tanzpartner unter den Volunteers – klar dass sie motiviert ist zu kommen! Auch ein Mädchen, das noch sehr neu ist, tanzt schon eifrig mit. Oft hört man die Frage: «Ist Freitag wieder tanzen?»

Die Kinder und Jugendlichen bei Peronnik haben alle ein ordentliches Paket mit auf den Weg bekommen. Aber deshalb Trübsal blasen? Überhaupt nicht – das Leben muss Spaß machen, und das der Peronniker umso mehr! Jeder Mensch hat eine Verabredung mit seinem Leben; die sollte er nicht verpassen. Was einem passiert, ist kein Zufall; es hat seine Ursachen und seinen Sinn, egal wie ‹schlimm› oder sinnlos es erscheint. Um den zu entdecken, braucht man Freude am Leben.

Manchmal sind unsere Kinder mutlos; aber oft sind sie auch herrlich lebensfroh, unglaublich originell, prall lebendig. Und gar nicht so selten wirken sie authentischer als ihre ‹schlauen› Betreuer. Gut so – ihr seid die Seele des Ortes!

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